Wenn man auf der Landkarte eine Linie von Paris nach Berlin zieht, läuft sie durch das Dorf Schabbach im Hunsrück. Und wenn man eine Linie vom Nordpol zum Südpol zieht, läuft sie ebenfalls durch Schabbach. Ihr Dorf, so erklären es sich die alten Schabbacher, liegt also, mag es auch klein, ärmlich, rückständig sein, in der Mitte der Welt.
Dieses Dorf, dieses Häufchen Häuser mit Fachwerkmauern und grauem Schieferdach, etwas hingeduckt zwischen den Hügeln, weil zu oft ein zu strenger Wind weht, ist Schauplatz eines Familienromans, einer deutschen Jahrhundertchronik im kleinen, einer Filmgeschichte von über 15 Stunden Spieldauer, die unvergleichlich erscheint: Weil in Deutschland noch nie jemand eine solche Geschichte als Film erzählt hat, mit solcher Ruhe und Kraft, mit solchem Vertrauen in den Reichtum der Alltäglichkeit. (…)
(…) Der ruhige Blick, die Liebe zur Sache, das Vertrauen in die Welthaltigkeit all dieser bewegenden, seltsamen, lächerlichen und schönen Provinzgeschichten: Das gibt diesem Film seine Sicherheit, seine leise, unangestrengte Größe.
Der Hunsrücker Generationenroman, den Reitz zusammen mit dem Drehbuchautor Peter Steinbach entfaltet hat, ist mit allen Abschweifungen und anekdotischen Nebenzügen so fest in Landschaft und Dorfwirklichkeit eingebettet, daß der Erzählfluß über manche Abkürzungen oder Abbrüche leicht hinwegträgt. Die Bilder, in denen Reitz und sein Kameramann Gernot Roll erzählen (frei wechselnd zwischen Schwarzweiß und Farbe), engen die Vorgänge nie zu Miniaturen, nie zu Genreszenen ein.
Urs Jenny in: DER SPIEGEL Nr. 37, 10.09.1984