Presseheft

1984 fand die Premierenfeier von HEIMAT in München statt. Ausgerichtet hatte diese der Produzent Bernd Eichinger und seine Firma „Neue Constantin Film GmbH“. Aus diesem Anlass wurde ein Presseheft veröffentlicht. Hier ein paar Auszüge daraus:

Vorwort

Was dem deutschen Film fehlt (nach dem Tod von Fassbinder allemal), ist der notwendige Schuß kreativer Wahnsinn. Insofern hatte das Projekt von Edgar Reitz seit jeher meine Sympathie, denn ein 16-Stunden-Film, das ist Wahnsinn.
Aber das ist nicht alles. Jede Minute dieses Films ist von einer so seltenen Kraft, da8 ich keine einzige missen möchte. Ich jedenfalls halte HEIMAT mit für das beste, was jemals in deutscher Sprache gedreht wurde.
Wenn die Neue Constantin das Werk im Rahmen des Münchner Filmfestes präsentiert, spielt sie hier nicht den Mäzen, vielmehr will sie das ihre dazu beitragen, daß ein für den deutschen Film so wichtiges und außergewöhnliches Projekt den verdienten Stellenwert und die größtmögliche Offentlichkeit erhält. Dazu gehört, daß HEIMAT, ein Film in 2 Teilen von Edgar Reitz, auch tatsächlich in 2 Teilen gesehen werden kann.
Edgar Reitz hat in 5 Jahre langer Arbeit bescheiden und zurückgezogen diesen außergewöhnlichen
Film hergestellt.Wir wollen Gelegenheit geben, daß er so gesehen werden kann, wie er konzipiert war und sei es auch nur in einer Vorstellung.

Bernd Eichinger

BERND EICHINGER/EDGAR REITZ
EIN GESPRÄCH

Bernd Eichinger:Wann hattest Du zum allerersten Mal die Idee gehabt, diesen 16-Stunden-
Film zu drehen?

Edgar Reitz: Das ist schon vor fast 15 Jahren gewesen in meiner Ulmer Zeit. Die Geschichte
hieß: Der Mann der wegging. Und ich habe damals ein Exposé geschrieben, das schon in den Grundzügen die Story festhält. Das ist die Story von dem Mann aus einem Hunsrück-Dorf, der eines Tages sagt, daß er ein Bier trinken geht und spurlos verschwindet, der Jahrzehnte verschollen
bleibt.

Bernd Eichinger:Und da war da schon die Idee, daß Du so eine Genemtionengeschichte machst?

Edgar Reitz: Nein. Damals war es noch die Idee, einen 90-Minuten-SpieIfilm zu machen. Und ich habe nur gemerkt, alsich anfing zu schreiben, daß das wegen der Stoffülle keine 90-Minuten-Idee ist.

Bernd Eichinger:Dann ist es ja wohl sogewesen, daß eine sehr lange Zeitspanne vergangen ist, bis Du das wieder aufgenommen hast?

Edgar Reitz: Ja, und da spielt jetzt das Verhältnis zur Heimat eine Rolle. Denn wenn man sich so wahnsinnig anstrengen mußte, um aus seinem Dorf herauszukommen, so wie ich, dann ist man lange Zeit in seinem Leben heilfroh, daß man da raus ist, man hat in sich nicht die Freiheit, dahin ohne weiteres zurückzukehren.

Bernd Eichinger: Wie ist es dann dazu gekommen?

Edgar Reitz: Der eine Grund war das Desaster mit dem „Schneider von Ulm“. Der zweite Grund war, daß ich mich unversehens wieder dazu fahig fühlte, Hautkontakt mit der Heimat aufzunehmen. Ich glaube, das ist nicht nur eine Sache, die mich persönlich und allein betrifft, sondern ich habe während der Zeit auch gemerkt, daß diese Wiederbegegnungen ein Bedürfnis geworden sind. Also, es begegnet mir auch bei Freunden und in Gespachen. Ich glaube, das hat damit zu tun, daß unser Fortschrittsglaube ins Wanken geraten ist.

Bernd Eichinger: Ist vielleicht noch etwas anderes bei Dir ins Wanken geraten? Angenommen, der „Schneider von Um wäre ein großer Erfolg geworden, wie würdest Du das dann sehen? Hättest Du Deiner Ansicht nach den Stoff dann auch in der Form angegangen?

Edgar Reitz: „Der Schneider von Ulm war ja auch schon eine Geschichte von einem der raus will. Also, das Gefiiii, aus den Verhältnissen, in denen man lebt, auszubrechen, war auch bei diesem Film der Stoff. Das nannte ich damals FLIEGEN, sich erheben zu können über die erbannlichen kleinbürgerlichen Verhältnisse, in denen dieses Handwerkerkind in Ulm lebt. Das ist auch als Gefühl ein ähnliches Thema, aber es war ein Film, der historisch in einer Zeit spielt, die wir nur aus Büchern kennen. Also, ich würde behaupten, daß historische Filme, die in Zeiten spielen, von denen kein Mensch, der heutzutage lebt, mehr selbst gesehene Bilder in sich trägt, zwangsläufig scheitern müssen, es sei dem, daß das Kostüm sozusagen nur ein Vorwand ist.

Bernd Eichinger: Der Ansicht bin ich überhaupt nicht. Ich glaube, daß ein großes Interesse gerade für Filme da ist, die die Dinge wirklich so erzählen, wie sie hätten sein können. „Der Schneider von Uim hat für mich den Fehler, daß es ein Ideen-Film ist. Also es ist ein Film von der Idee vom Fliegen, und nicht über einen Mann, der fliegen will.

Edgar Reitz: Nun sind die Szenen, in denen er fliegt, noch das beste an dem Film. Das, was ich heute als das schwächste empfinde, ist die Aufblätterung eines Lebenszusammenhangs aus dem 18. Jahrhundert.

Bernd Eichinger: Mir kommt’s dabei noch auf etwas anderes an. Mich würde interessieren, ob es so ist, daß für Dich „Der Schneider von Ulm eine Boje war, die Du erreicht hast, wo Du gemerkt hast, daß dort nicht das Kino weitegeht, das Du eine ganze Zeitlang machen wolltest. Und ob nicht die Rückkehr in den Humtück ein Besinnen auf eine andere Art von Erzählen ist.

Edgar Reitz: In einem Punkt gebe ich Du recht. Ideen sind eigentlich keine Film-Themen. Eine Idee ist eigentlich kein erzählerisches Thema, eher schon ein Erlebnis, ein Gefühl, das man meist gar nicht genau bezeichnen kann.

Bernd Eichinger: Also, ich würde sagen, Personen sind es.

Edgar Reitz: Ja, die Gefühle verbinden sich ja immer mit Personen.

Bernd Eichinger: Wie kommt’s denn, daß ,.Heimat“ nun so gerade das Gegenteil vom „Schneider von Ulm“ ist, daß es da eigentlich nur noch um Menschen und ihre Entwicklung geht und alles Ideenhafte verschwindet.

Edgar Reitz: Ich möchte behaupten, daß ich aus diesen Erlebnissen etwas gelernt habe. Ich kann mich zwar jetzt nicht dumm stellen: Ich bin nach wie vor ein Mensch, der analysiert und Ideen bildet. Wenn ich zum Beispiel so eine Lebensgeschichte betrachte, wie die von Maria oder Paul, im Ablauf dieser Zeiten – Zweiter Weltkrieg, 30er Jahre, Nachkriegsjahre -, dann weiß ich auch, daß das die Nazizeit war und was da historisch geschehen ist. Ich mache mir auch Gedanken darüber, was das alles bedeutet. Das Mitläufertum z.B., auch die Frage der schuldhaften Vemtrickung der Kleinbürger in die Verhäitnisse. Aber ich habe gelernt, daß es nicht darum gehen kann, solche Ideen zu verfilmen, sondern daß das wirkiiche Leben auf eine geheimnisvolle Weise all das berührt und dennoch nicht beantwortet. Daß man das Geheimnis des Lebens aber nur in den Film rüberbringt, wenn man sich im entscheidenden Moment hingebungsvoll auf das Leben konzentriert und die Gedanken sozusagen auf einer eigenen Spur laufen, und so genau wie möglich die Spur verfolgen.

Bernd Eichinger: Mich interessiert das wirklich stark. Ich bin zum Beispiel der Überzeugung, daß, wenn „Der Schneider von Um “ ein Erfolg gewesen wäre. Du nicht die Kraft gefunden hättest …

Edgar Reitz: Das könnte möglich sein. Damals war ich auch sehr stark bewegt von diesem professionellen Gedanken. Also ich wollte ein Filmprofi sein. Ich wollte einer sein,der die Mittel beherrscht. Ich wollte wirklich die ganze Studiotechnik und das dramaturgische Handwerk und alles – ich wollte ein Filmemacher mit allen Raffinessen sein. Auf der anderen Seite hat mich das in keiner Weise inspiriert, muß ich auch sagen. Also all das, was mir so am Herzen lag, hat sich tagtäglich in Quälerei verwandelt, weil ich sehr viel lieber meine Gefühle als Kraft gewertet hatte, statt das Professionelle.

Bernd Eichinger: Die Unternehmung ,,Heimat “ hatte ja einen starken Aspekt von Sich-Zurückziehen. Sehe ich das falsch, wenn ich mir vorstelle, daß die Zurückgezogenheit, die ja notwendig war, um das Projekt zu entwickeln, zu schreiben und letztlich auch zu drehen – daß diese Zurückgezogenheit eine Sache war, die Dir -gerade nach dem ,,Schneider von Ulm “ – eingeleuchtet hat oder für Dich …

Edgar Reitz: Da muß ich bei der Wahrheit bleiben. Ich war sehr traurig. Ich war auch irgendwie zerrüttet, ich hätte am liebsten gesagt: ich mache keine Filme mehr. Aber ich habe nichts anderes gelernt. Es war eine Zäsur. Und ich konnte auch nicht mehr in München bleiben, denn hier begegnete mir täglich, was ich bisher getrieben habe. Nun, ich muß noch dazu sagen, ich hatte ja fast unbemerkt einen Film gemacht, der ja schon die Spur gezeigt hat. Das war die ,,Stunde Null“. Den hatte ich einfach dazwischengeschoben, als ich die Dreharbeiten zum „Schneider von Ulm“ verschieben mußte um ein paar Monate. Damals hatte ich noch das Gefühl, den mache ich „mit links“.

Bernd Eichinger: Haste auch.

Edgar Reitz: Und nach dem Desaster vom ,,Schneider von Ulm“ habe ich mich erst einmal beschäftigt mit dem Abhauen, mit dem ,Alles-über-Bord-schmeißen“ und irgendwie von ganz vorne anzufangen. Und da konnte ich nicht über Film nachdenken.

Bernd Eichinger: Über was hast Du nachgedacht?

Edgar Reitz: Ich habe nachgedacht über meine Jugend, über meine Kindheit, über die Entscheidungen, die über einen hereinbrechen, wenn man als Kind eines Hunsrücker Handwerkerhaushalts auf ein Gymnasium geschickt worden ist. Zuerst fiel mir meine erste Liebesgeschichte ein. Die Geschichte, wie ich 15 Jahre alt war und eine elf Jahre ältere Frau geliebt habe.

Bernd Eichinger: Dir fiel aber immer noch nicht Dein altes Expose ein?

Edgar Reitz: Nein, komischerweise ist da noch ein Femseherlebnis wichtig geworden – das Fernsehen hat Holocaust ausgestrahlt. Ich habe das jedesmal angeguckt, und ich habe mich so geärgert darüber, daß die Bilder nicht stimmen, daß hier eine deutsche Geschichte erzählt wird, deutsche Schicksale erzählt werden, bis hin zu den gräßlichsten Dingen, die geschehen sind, ohne daß ein einziges Bild wirklich stimmt, ohne daß ein Lächeln, ein Wort, ein Satz, der gesprochen wird, so vorkommt, wie es wirlich gewesen sein muß.

Bernd Eichinger: Aber es hat funktioniert!

Edgar Reitz: Es hat dramaturgisch, emotional funktioniert. Und das hat mich auch wieder aufgeregt, daß man das trennen kann, daß man das, was die Herzen bewegt, rausreißen kann aus den Gesichtern. Daß man das sozusagen verinternationalisieren kann. Das wollte ich nicht wahrhaben. Ich sagte, diesem Film gegenüber muß etwas Neues treten, nämlich eine Geschichte, die auch die Gefühle bewegt, aber in der auch die Bilder stimmen. Wenn so was je wieder passieren sollte, oder wenn wir durch ein Filmerlebnis sensibilisiert werden können für die Dinge, die in dieser Welt geschehen, dann nur über die Erinnerung der Augen. Meine Mutter würde niemals aufgrund von Wahlparolen den oder jenen Poiitiker wählen. Sie sagt, sie sieht den im Fernsehen und die Augen haben so was Flackerndes, den wählt sie nicht. Ich glaube, daß so was tiefer in den Menschen ist als das, was man an Urteilsfähigkeit bildet, das war jetzt der Punkt, wo ich mich bei Holocaust herausgefordert fühlte. Aber ich wollte keinen Film machen, sondern ich wollte dann – das erschien mir plötzlich als eine Alternative – nur schreiben.

Bernd Eichinger: Einen Roman?

Edgar Reitz: Ja, ich dachte eigentlich an einen Roman. Da ich aber mit dem Schreiben keine Erfahrung hatte in der literarischen Form, ist es mir schwergefallen, meine Gedanken zu konzentrieren. Die Konsequenz, nur sprachlich zu denken, war mir fremd. Und so entstand das Treatment, das Du ja dann kennst, das ich Dir auch damals gezeigt habe.

Bernd Eichinger: Und da war aber dann schon eigentlich klar

Edgar Reitz: … war nicht drehbuchmäßig geschrieben, sonder erzählerisch…

Bernd Eichinger: … beinhaltete schon, sagen wir mal, wenn ich mich jetzt richtig erinnere, den ganzen Bogen … die Idee, einen Film zu machen, der irgendwann im…

Edgar Reitz: … nein, es ist so, es kam dann ein weiteres Ereignis dazu. Als ich da zum ersten Mal geschrieben hatte – ich war ja nicht ein anderer Mensch geworden -, ich hatte ja dann auch das Bedürfnis, das jemand zu zeigen und zu fragen: Was hältst Du davon, soll ich so weitermachen? Und die Leute, die ich kannte, waren ja meine bisherigen Partner aus dem Filmbereich. Ich hab’s dem Mengershausen gezeigt und der sagte, das wäre ein Film.Und ich habe es Dir gezeigt,und Du hast gesagt, das wäre ein Film. Daraufhin erwachten wieder meine Lebensgeister als Filmer. Und da habe ich mir gesagt, schließlich habe ich auf diesem Gebiet meine Erfahningen und als Schriftsteller bin ich ein Anfanger. In dem Moment, als das als Filmstoff erkannt wurde, hatte ich zunächst einmal Hemmungen, weil ich mir sagte, das ist ja ein Unding, ein filmisches Unding von den Dimensionen her.

Bernd Eichinger: Dir war klar, daß der Film wesentlich Iänger werden wird als

Edgar Reitz: … mir war sofort klar dabei, daß so etwas nur mit dem Fernsehen realisiert werden kann.

Bernd Eichinger: Und was hast Du dabei empfunden, wenn Du daran gedacht hast, war das dann heißt, so in der Länge der Vorbereitung, in der Länge

Edgar Reitz: Ich habe mir gedacht, wenn das gelingt, einen Film von – ich habe damals noch geschätzt, daß es 20 Stunden sind -, wenn das gelingt, einen Film von 20 Stunden zu machen, dann bin ich auf diese Weise auch raus aus dem Schlamassel, dann habe ich irgendwie dennoch den Weg gefunden, nicht wieder zurückzukehren zum Spielfilm…

Bernd Eichinger: …in der Tradition von 90 Minuten.

Edgar Reitz: Ich hätte, wenn ich zu diesem Zeitpunkt einen weiteren 90-Minuten-Film hätte machen wollen, das Gefuhl gehabt, ich scheitere. Aber ein solches Projekt, das ist so weit außerhalb, daß es ein Erfolg ist, wenn man es tatsächlich zustande bringt.

Bernd Eichinger: Und zwar allein schon, weil man es durchgestanden hat. Von allem anderen ganz zu schweigen.

Edgar Reitz: Ja, aber ich habe auch gemerkt, daß ich kompetent bin bei dem Stoff. Ich bewegte mich jeden Tag in einem Thema und in einer Umgebung, wo ich mir sagen konnte, mein ganzes Leben war notwendig dafür, daß das läuft. Und in dem Moment verliere ich die Angst vor den Schulmeistern. Da kann niemand kommen und sagen: hör mal, hier hast Du das und das falsch gemacht, weil ich dann immer sagen kann: halt das Maul, dein ganzes Leben steht nicht auf dem Spiel. Ich wußte bei dem Stoff genau, wenn einer den Mund auftut und ein Wort sagt, das stimmt oder es stimmt nicht. Wenn einer sich bewegt, zum Beispiel wenn ich die Arbeit von den Bauern beschreibe, da weiß ich einfach, der faßt die Mistgabel richtig an. Das habe ich schon als Sechsjähriger gesehen und das stimmt, und da kann kein Schulmeister kommen und mich belehren. Und das geht weiter. Die Heimatlandschaft, der Hunsrück, hat keinen anderen Filmemacher hervorgebracht als mich. Da habe ich mir dann immer gesagt, wer soll’s denn machen? Ich muß! Und dieses Muß habe ich auch empfunden – also, wie soll ich sagen -, in dem Moment, wo ich die Geschichte dieser Menschen aufgegriffen habe, war ich auch verpflichtet, ihnen als Filmemacher treu zu sein. Eine moralische Pflicht, wenn Du so willst, mein ganzes Können in den Dienst dieser Menschen und ihrer Geschichte zu stellen, weil es keinen anderen gibt, der das hatte wiedergutmachen können, was ich falsch machte.

Bernd Eichinger: Du bist ja mit einem reiativ geringen Budget ausgekommen. Wenn man jetzt mal sieht, was Filme heute kosten, ist es fast unvorstellbar, mit wie wenig Geld Du ausgekommen bist.

Edgar Reitz: Es hat immer wieder auch Situationen gegeben, wo wir gemeinsam im Team festgestellt haben, daß wir das nicht werden bezahien können, aber es war dann nie ein Problem, eine Variante zu finden, die viel viel weniger gekostet hat.

Bernd Eichinger: Was die Filme zum Teil ja sehr teuer macht, ist, daß sich der Regisseur den Dingen von außen nähert und die Stimmigkeit der Geschichte mit dem Äußeren, dem Dekor etwa…

Edgar Reitz: Die Geschichte wird nicht reicher, wenn man Dekor rein …

Bernd Eichinger: So ist es. Und Du hast eigentlich den umgekehrten Weg gewählt. Du hast versucht, die Geschichte von innen zu erzählen, also von den Figuren her, und bist dadurch zu einer automatischen Stimmigkeit des Umfeldes gekommen.

Edgar Reitz: Was allerdings in einigen Fällen sehr weit geht. Also wenn ich zum Beispiel von der deutschen Luftwaffe einen Flugplatz beschreibe im Zweiten Weltkrieg, dann komme ich nicht daran vorbei, mit historischen Flugzeugen zu arbeiten, komme nicht daran vorbei, die ganzen historischen Fahrzeuge, Uniformen usw. Was mir zum Beispiel wahnsinnig zu schaffen gemacht hat, waren diese Szenen, die im Krieg spielen. Ich bin nun wirklich ein ganz und gar unmilitärischer Mensch; die Inszenierung von Militärbewegungen und Szenen bei der Wehrmacht und im Krieg ist mir eine Qual, weil mir diese Welt so fremd ist. Aber gleichzeitig habe ich empfunden, daß ich entweder die Finger davon lasse oder mich in aliem Ernst darauf einlasse. Und das ging so weit, daß ich mich mit einem ehemaligen Luftwaffenoffizier tagelang unterhalten habe über den Stil des Umgangs von Luftwaffenoffnieren usw., weil ich das wirklich kenneniernen wollte.

Bernd Eichinger: Laßt uns mal in der Chronologie ein bißchen fortschreiten. Du warst Dir also jetzt relativ darüber im klaren. daß es – wenn man dieses Exposé. das Du da geschrieben hast, das eigentlich der Ausgangspunkt für einen Roman ursprünglich war – wenn man daraus einen Film machen würde, der an die 20 Stunden lang wird. Wie ist die Sache jetzt weitergegangen?

Edgar Reitz: Es ging dann erst einmal darum, ein Drehbuch zu schreiben. Erst mit einem Drehbuch konnte man ja überhaupt in konkrete Verhandlungen eintreten mit Partnern, die das irgendwie finanzieren oder so. Und da war es Joachim von Mengershausen, der mich daran erinnert hat,daß die Zusammenarbeit mit Steinbach bei „Stunde Null“ doch eigentlich eine glückliche Kombination war.