Henry Arnold

Er spielte die Rolle des Hermann Simon in

sowie in

und

Liebe Fans der “Heimat”-Trilogie!
Einen ganz herzlichen Gruß (spät, ich weiß, ich bitte um Entschuldigung, vieles war zu tun – aber darum nicht weniger herzlich!) an alle, die dieses große und epochale Filmwerk schätzen und lieben – ein jeder auf seine Weise – und es durch fortwährende Diskussion und gelegentliches “Wieder-sehen” lebendig halten. Für mich waren es viele Jahre meines Lebens, in zwei Lebensphasen, und es waren im Grunde zwei Rollen (wie man ja mit sich selbst auch nicht identisch bleibt….). Der Hermann des Aufbruchs – ihm nur zum Teil geglückt – und der Hermann des Versuchs, anzukommen – nicht weniger zwiespältig.

Während der Fernsehausstrahlung von “Heimat 3” wurde ich gebeten, ein Essay für den Berliner “Tagesspiegel” zu schreiben, das ich gerne hier – etwas gekürzt – anfügen möchte:

  „Was bedeutet „Heimat“ für Sie?“ – Das ist mit Sicherheit die mir am häufigsten gestellte Frage der letzten Jahre, wenn es um die beiden „Heimat“-Zyklen ging. Die Antwort fällt mir nicht leicht. Das liegt zum einen in meiner Biografie begründet: In Hamburg geboren, mit sieben Jahren nach München gekommen, ein Bayer aber nie geworden (das geht wohl auch gar nicht), nach Abitur und Ausbildung das Wanderleben dieses Berufes aufgenommen, und als Zentrum und Ausgangspunkt vor ungefähr 15 Jahren Berlin gewählt, wo – immerhin – auch viele andere Theater- und Film-Zigeuner gerne zwischenlanden.
Zum anderen aber bleibt ein Unbehagen. Nicht wegen der historischen Belastung des Begriffs, da gibt es weiß Gott Schlimmeres. „Heimat“ meint etwas, das ich kenne, dem ich vertrauen kann, etwas, das beständig ist, das bleibt. Und es meint den Ort der Kindheit.  Und genau hier liegt der Irrtum, den dieses Wort vorgaukelt. Es gibt nichts, das bleibt, Kindheit ist immer verlorene Kindheit – auch wenn sie noch so schön war. Unsere Erinnerung betrügt uns ständig, und wenn wir sie in Worte fassen, betrügen wir meist auch noch sie. Viel Wahres bleibt da nicht.

Wir leben nun einmal im Jetzt, und nur da. Beeinflussen können wir bestenfalls, was vor uns liegt. Solange wir viel Zukunft haben, ist das gut so. „Wir bringen uns selbst noch einmal auf die Welt“, sagt der 20-jährige Hermann der „zweiten Heimat“ einmal. Der hat kein Verlangen nach „Heimat“, der will vorwärts. Der trennt sich sogar mühsam von der anderen Quelle dessen, was Heimat ausmacht, der Muttersprache: seinem Hunsrücker Platt.
Erst wenn die Chance auf Zukunft biologisch abnimmt, wächst das Bedürfnis nach Sicherheit. Man will ankommen, auch in seiner Sicht auf die Welt, Veränderung wird unheimlich, weil sie sich irgendwann unweigerlich der Kontrolle entzieht.
So weit ist der Hermann Simon der „Heimat 3“ noch nicht. Noch ist er unterwegs, aber ankommen will auch er. Ihn und Clarissa verbindet in “Heimat 3” der fast schon störrische Wunsch, dem gemeinsamen Leben eine Mitte zu geben, einen Ruhepunkt. Einen Ort, der zwar nicht „Heimat“ werden kann, aber doch ein Zuhause ist, zu dem sie sich gehörig fühlen. Wo Jahreszeiten wiederkehren, und wo Pflanzen wachsen und wieder vergehen. Dass sie mit diesem Haus die alte Heimat von Hermann nur um Haaresbreite verfehlen, ist dabei fast nebensächlich. (Ist es natürlich nicht: das verlangt die Dramaturgie der Geschichte, natürlich muss Hermann nach Schabbach zurück, der Kreis soll sich schließen.)

Aber der Versuch, die Zeit anzuhalten, sich dem Fluss der Dinge entgegen zu stemmen, kann nur schief gehen. Weil die Fragen weiter quälen, Fragen an das Leben, an sich, an sein Tun und an die Kunst. Er aber keine Antworten findet – immer noch nicht. Das macht ihn vorsichtig im Umgang mit all den anderen, die scheinbar so gesicherte Antworten parat haben.
(Diese Zögerlichkeit, die vielleicht nicht immer „sympathisch“ ist – Hermann Simon ist kein „Held“! – wurde mir übrigens oft persönlich angelastet. Es ist immer wieder erstaunlich, wie wenig auch die professionelle Kritik zwischen dem Schauspieler und dem Charakter der zu spielenden Rolle zu unterscheiden in der Lage ist.)

Aber die Sicherheit trügt. „Heimat“ ist in Wahrheit eine Chimäre: Was die „gute alte Zeit“ (Nietzsche) war, definiert jede Generation neu. Irgendwann wird auch unsere komplizierte Gegenwart so weit sein. Aber dann sind wir längst nicht mehr da.
Ich gebe zu: Ich kann sehr gut auch ohne „Heimat“ leben.

Mit den allerbesten Wünschen
Henry Arnold