Eine goldene Medaille für Edgar Reitz

Der Nachbarkreis Birkenfeld hat dem aus Morbach stammenden „Heimat“-Regisseur und Allroundtalent seine höchste Auszeichung verliehen.

Würde der international renommierte und mit Auszeichnungen überhäufte Regisseur die Ehrung eines kleinen Landkreises überhaupt annehmen? Auf diese Frage gab Edgar Reitz eine klare Antwort.

HUNSRÜCK. Mit seiner Ehrenmedaille in Gold zeichnete der Kreis Birkenfeld den Regisseur der „Heimat“-Trilogie, Edgar Reitz, aus – und damit erstmals eine Persönlichkeit, die weder im Kreis wohnt noch dort ihren dauerhaften Arbeitsplatz hatte.

„Trotzdem muss man dem Geehrten bescheinigen, dass er sich in herausragender Weise kulturell auch um unseren Landkreis verdient gemacht hat“, sagte Landrat Axel Redmer in seiner Laudatio. So machte der gebürtige Morbacher in dem monumentalsten Werk der deutschen Filmgeschichte immer wieder Dörfer aus dem Kreis Birkenfeld zu seinen Drehorten – alleine elf in „Heimat 1“.
Ungleich wichtiger ist für den Kreischef, dass der 76-Jährige „den durch raue Natur, begrenzte Wirtschaftsentwicklung und kulturelles Umfeld alles andere als verwöhnten Menschen unseres Landkreises mit seinen Hunsrück-Filmen ein Stück Würde zurückgegeben“ habe. Viele Ausländer kennen den Hunsrück „fast ausschließlich aus den Filmen von Edgar Reitz“.
„Kein anderer Filmschaffender – außer Alexander Kluge vielleicht“ – decke ein ähnlich breites Tätigkeitsspektrum ab wie der Preisträger: „Wäre er Fußballer, würde er wahrscheinlich gleichzeitig Trainer, Sportdirektor und Manager sein.“
Tatsächlich betätigte er sich als Produzent, Kameramann, Kinobetreiber, Vertreter von Berufsinteressen, Hochschullehrer, Institutsgründer, Juror, Lyriker, Erzähler sowie Verfasser von Schriften zur Filmtheorie, Filmästhetik und Fragen der Zukunft der Filmkunst.
„Auch als Filmregisseur ist Edgar Reitz nicht auf ein Genre festzulegen“, wie Redmer unterstrich: „Gleichermaßen drehte er Spiel-, Dokumentar- und Experimentalfilme, die fast ausnahmslos international beachtet und ausgezeichnet wurden.“
Angesichts der zahllosen Auszeichnungen. mit denen er überhäuft wurde, „waren wir uns keineswegs sicher, ob Edgar Reitz auch bereit sei, die Ehrung eines vergleichsweise kleinen Landkreises zu akzeptieren“, bekannte Redmer, der daran erinnerte, dass Reitz‘ erster Spielfilm „Mahlzeiten“ bei den Filmfestspielen in Venedig 1967 zum besten Debütfilm erkoren wurde. Im folgenden Jahr ermöglichte der Hunsrücker eine Reform der Bienale in der Lagunenstadt, indem er mit Pier Paolo Pasolini die Jury verließ.
„Die Ehrenbürgerschaft der Stadt Simmern und diese Ehrung hätte ich mir nie erträumen lassen“, entgegnete Reitz, der dies mit den Worten kommentierte: „Da der Prophet bekanntlich in der Heimat nichts gilt, bin ich offensichtlich kein Prophet.“ Mit dem Kreis Birkenfeld verbinde er auch viele Radtouren in seiner Jugend: „Es war ein besonders mühseliger Weg dorthin.“ Der Wald habe sich als Trennwand erwiesen. Bezeichnenderweise titulierten die Bewohner jene auf der jeweiligen Gegenseite als „die hinterm Wald“, ergänzte der Professor für Film an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe in der Feierstunde im Maler-Zang-Haus. Musik von Richard Logiewa und Klaus Gerhold sowie Lesungen der Theatergruppe Birkenfeld von Werner Schäfer rundeten das kurzweilige Programm ab.
Oft sei Kunst kompliziert, fuhr Reitz fort, der nach eigenem Bekunden viele Jahre brauchte, „um den Weg zur Einfachheit zu finden – das ist das Schwerste überhaupt“.
„Heimat“ entstand 1977 in einer Krise, „nach meinem heftigen Misserfolg mit dem ‚Schneider von Ulm‘, bei dem ich Schulden gemacht hatte“. Als er im Winter 1978/79 in einer Ferienwohnung eines Freunds auf der Nordseeinsel Sylt eingeschneit war, besann er sich auf seine Wurzeln und brachte seine Familiengeschichte zu Papier – das war die Basis für „Heimat“.

WÖRTLICH
„Der Begriff Erfolg hat sich von der Leistung völlig gelöst“
Nach Ansicht von Edgar Reitz ist der Wahlspruch seines Vaters, „Qualität setzt sich durch“, längst widerlegt.

Artikel in der Rhein-Hunsrückzeitung vom 25.11.2008
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