„Es soll eine große Trilogie werden“

„Heimat“-Regisseur Reitz im Gespräch

MAINZ. FAN. Mainz im Rausch der Heimat“: Zwischen dem 2. und 18. Februar waren insgesamt 5000 Fans gekommen, um alle 13 Folgen von Edgar Reitz „Die zweite Heimat“ im Frankfurter Hof zu sehen. Dazu wurde eine hervorragende Ausstellung geboten, live-Programme mit den Hauptdarstellern Salome Kammer und Henry Arnold, und als Krönung schaute am Samstag der in München lebende Regisseur Edgar Reitz vorbei. Hermann war in Folge 13 in den Hunsrück zurückgekehrt, und Reitz betrat die Bühne. Mit großem Lächeln, an der Hand Lebensgefährtin Salome alias Clarissa, nahm der 62jährige den begeisterten Applaus der „Heimatianer“ entgegen. Das Interview mit dem Regisseur hatte zuvor in einem Hotel stattgefunden.

Wann waren Sie zuletzt daheim in Morbach im Hunsrück?
Reitz: Vor drei Wochen. Im Oktober ist meine Mutter gestorben, da gibt es viel zu regeln. Mein Bruder lebt noch dort.
Haben Sie daran gedacht, wieder einen zweiten Wohnsitz im Hunsrück zu nehmen?
Reitz: Ich habe oft daran gedacht, aber es ist einfach zu weit von München, wo meine Freunde leben und meine Familie. Man ist ja schneller in Italien. Und wenn die Eltern nicht mehr da sind. .. Im Leben gibt es immer so eine Zeit, in der man nichts möchte wie weg. Wenn später Ehrgeizfragen nicht mehr im Vordergrund stehen, erinnert man sich an die Kindheit.
Sie haben Ihre Heimat, den Hunsrück weltberühmt gemacht.
Reitz: Es scheint so. Die Filme liefen mit großem Erfolg auch in Italien, in Amerika, in Australien. Dort kannte vorher niemand den Hunsrück.
Es gibt inzwischen einen „Heimat-Tourismus im Hunsrück. Ist Ihnen das recht?
Reitz: Die Landschaft ist einmalig und die Gegend so arm und benachteiligt verglichen mit anderen touristischen Zielen, da ist das ganz gut.
Haben Sie auch den Begriff „Heimat“ berühmt gemacht?
Reitz: Das Wort hat in den meisten europäischen Sprachen keine Entsprechung, das Gefühl und den Zusammenhang aber kennt jeder auf der Welt. In den Filmen wurde das deutsche „Heimat“ nie übersetzt, und inzwischen ist es im Ausland ein Lehnwort geworden. In Frankreich und England benutzen es Menschen, die den Film nie gesehen haben.
Wie erklären Sie sich, daß der erste Zyklus hierzulande so viel mehr Fernsehzuschauer hatte als „Die zweite Heimat“?
Reitz: Durch die Privatsender hatten sich die Fernsehgewohnheiten sehr verändert, und die Sendetermine in der ARD waren schlecht. Zudem wendet sich die Thematik an bestimmte Leute. Die erste „Heimat“ war sehr allgemein, es ging um das dörfliche Leben. Großeltern. Enkelkinder. „Die zweite Heimat“ spielt im Studentenmilieu. In Italien. Frankreich oder Amerika war dieser Teil viel erfolgreicher als der erste, und nicht nur Studierte haben ihn angeschaut. Die Italiener stört nicht, daß das Deutsche sind im Film, aber die Deutschen. Das hat mit deutschem Selbsthaß zu tun.
Gibt es eine dritte Fortsetzung?
Reitz: Der zweite Teil war keine Fortsetzung, eher ein Gegenstück zum ersten. Es soll eine große Trilogie werden, und ich schreibe gerade an der dritten Fassung des dritten Teils. Der Film spielt nach 1989 in Berlin, den neuen Bundesländern. Dresden vor allem, in Karlsruhe, Heidelberg, Straßburg und Paris – und ein kleiner Teil auch im Hunsrück. Für uns Deutsche hat sich sehr viel verändert, und diese Veränderungen sind es wert, beschrieben zu werden. Geplant ist bisher ein Fünfteiler. Drehbeginn soll 1996 sein, und herauskommen werden wir im dritten Jahrtausend.
Bei den Filmfestspieien in Berlin haben Sie Ihren neuen Streifen zum 100jährigen Jubiläum des Kinos gezeigt.
Reitz: Dieser Film ist kein Spielfilm und ohne künstlerische Ambitionen. Am Sonntag lief er schon in Premiere und wird demnächst in Arte und im ZDF zu sehen sein.
Marita Breuer, die in der ersten „Heimat“ so wunderbar Hermanns Mutter spielte, ist kaum mehr zu sehen in Film und Fernsehen.
Reitz: Es wirft ein schlechtes Licht auf dieses Land, daß gute Schauspieler keine Chance bekommen. Das gilt auch für Salome Kammer, die die Clarissa spielte. Sie macht eigene musikalische Programme und ist dabei, damit auch international bekannt zu werden. Aber das Ausland ist der Sprache wegen auch keine Lösung für deutsche Schauspieler.
(Das Gespräch führte Stefanie Mittenzwei)

Artikel in der Rheinzeitung vom 21.02.95
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