Ein Birkenfelder spielt den Schlussakkord

Viele Laiendarsteller aus der Region wirkten bei der dritten Heimat-Staffel von Edgar Reitz mit- Filmen war für die Amateure ein spannendes Erlebnis.

Die dritte Staffel von Edgar Reitz‘ monumentalem Heimat-Epos wird vom 15. Dezember an im Fernsehen gesendet, die Kinofassung ist derzeit im Idar-Obersteiner Gloria-Theater zu sehen. In den Filmen wirken nicht nur, wie bei solchen Produktionen üblich, viele Menschen aus der Region als Komparsen mit, sondern es wurden auch zahlreiche Nebenrollen mit Laiendarstellern besetzt. Die RZ sprach mit Ihnen über ihre Eindrücke bei den Dreharbeiten.

KREIS BIRKENFELD. Reichlich Theatererfahrung hat Anne Tatsch-Fink. Die Erzieherin mit sonderpädagogischer Zusatzausbildung macht schon viele Jahre bei der Theatergruppe Hüttenbach mit und hat dort auch schon so manche Hauptrolle gespielt. Durch die Vorarbeit von Margot Röper aus Hottenbach, die für Edgar Reitz das Casting für zahlreiche Laiendarsteller übernommen hatte, kam sie gemeinsam mit anderen Spielern aus ihrer Theatergruppe auf die Bewerberliste. Eines Tages erhielten sie und drei andere Mitglieder der Gruppe einen Anruf und wurden zu einem Treffen mit Reitz gebeten.

 

 

Anne Tatsch-Fink muss den Regisseur wohl überzeugt haben, denn sie wurde sogar Mitglied in Hermanns Simon-Clan. Als Helga Gall, die Tochter von Hermanns älterem Bruder Anton Simon, ist sie nicht nur in vielen Szenen, sondern auch in fünf der sechs Folgen zu sehen. „Beim Theater kann man sich langsam reinfühlen“, beschreibt sie den Unterschied zwischen Set und Bühne. „Beim Drehen muss man aber ohne Anlauf sofort in der Rolle sein.“

Das Eindrucksvollste beim Filmen war für sie der Kontakt mit so vielen interessanten Leuten, wozu sie an ihren 17 Drehtagen reichlich Gelegenheit hatte, vor allem die Begegnung mit dem Regisseur Edgar Reitz. „Er ist ein wunderbarer Mensch und strahlt trotz seiner 72 Jahre eine ungeheure Energie aus“, berichtet sie. Trotz dieser unmittelbaren Erfahrungen ist für sie die erste Heimatstaffel das sympathischere Werk. „Das war noch ein langsameres Tempo, Man hat sich beim Erzählen der Geschichte noch wesentlich mehr Zeit genommen. In Heimat 3 geht alles viel schneller, man hat unheimlich hineingepackt.“

 

 

Kein Traumberuf

 

 

Gar keine Erinnerungen an die erste Heimat-Staffel hat dagegen die 25-jährige Sandra Jung, die ebenfalls über die Theatergruppe Hottenbach an eine Rolle gekommen ist. Jetzt, nachdem sie die dritte Staffel bei der Hunsrücker Premiere in Simmern komplett im Kino gesehen hat, will sie sich aber die Wiederholung von Heimat 1 ab 3. Dezember auf 3Sat auf keinen Fall entgehen lassen.

Die junge Bankkauffrau wurde von Edgar Reitz zur Weinkönigin gekürt, die in der fünften Folge auf einem Weinfest, das in Oberwesel gedreht wurde, zu sehen ist. „Es waren sogar überall Plakate mit meinem Bild aufgehängt“, berichtet sie über die Akribie, mit der die Drehorte hergerichtet wurden, fügt aber auch hinzu: „Es war zwar unheimlich spannend da mitzumachen, aber Filmschauspielern wäre für mich ganz bestimmt kein Traumberuf.“ Vor allem, dass man nach ewig langen Wartezeiten dann sofort auf Kommando in Sekundenschnelle volle Konzentration bringen müsse, habe sie an den drei Drehtagen doch ziemlich nervös gemacht, gesteht sie.

 

 

Ihren gewohnten Beruf im Film konnte Gisela Pick aus Rhaunen ausüben: Wie im wirklichen Leben ist sie auch in Heimat 3 Bestatterin – eine Rolle, die ihr schon lange versprochen war. In der ersten Staffel hatte sie Hermännchen als Verkäuferin im Laden bedient, und auch ihre damals ein einhalb Jahre alte Tochter kam in einer Szene zum Einsatz. „Damals hat mir Edgar Reitz versprochen, wenn er einmal eine Beerdigung dreht, dann holt er mich“, berichtet sie. Es gab gleich zwei Beerdigungen in dem Film, die beide auf dem Friedhof in Sargenroth gedreht wurden. Doch bei der zweiten Beerdigung verzichtete Gisela Pick lieber auf eine Beteiligung, Aus dramaturgischen Gründen verspätet sich der Bestatter mit der Urne, „Da wollte ich nicht mitmachen“, sagt sie. „In Wirklichkeit bin ich nämlich schon immer ein eineinhalb Stunden vor der Beisetzung auf dem Friedhof.“

 

 

Ebenfalls in seinem gewohnten Beruf bleiben konnte Armin Peter Faust aus Idar-Oberstein. Der bekannte Schriftsteller und Maler verdient im Alltag seinen Unterhalt auf dem Heinzenwies-Gvmnasium, in der dritten Folge der neuen Staffel wird er zum Realschullehrer „degradiert“. Ein Aussiedlerjunge wird auf dem Schulhof von seinen Mitschülern gejagt, und er muss als Aufsicht einschreiten. „Die Szene musste mindestens 15 mal gedreht werden“, erinnert sich Faust. „Reitz ist ein unheimlich akribischer Regisseur, der sich nicht mit Halbheiten zufrieden gibt. Und weil bei einer solchen Massenszene immer mal einer patzen kann, mussten wir immer wieder ran.

 

 

In seinem Traumberuf konnte Manfred Gass im Film „arbeiten“. „Ich wollte immer schon einmal Bankdirektor sein“, schmunzelt der Direktor des Ferienparks Hambachtal. „Und da habe ich eine Filiale und muss während der Wendezeit einer ostdeutschen Familie das Begrüßungsgeld auszahlen.“ Der Ferienparkleiter ist Fernsehinterviews gewohnt, hatte also mit seiner Rolle wenig Probleme – Trotzdem musste drei Mal gedreht werden. “ Einmal stimmte das Licht nicht und dann war im Hintergrund eine Euro-Umrechnungstabelle zu sehen“, erzählt Gass.

 

 

Besetzungs-Mysterium

 

 

Noch nie bei der Feuerwehr war Wendelin Bengel aus Bundenbach, trotzdem wurde er Einsatzleiter und hat bei einem dramatischen Geschehen in einem verlassenen Stollen, in den Wasser einbricht, das Kommando. Edgar Reitz suchte jemanden, der aus einer Schieferbergbaufamilie stammt“, verrät Bengel ein Mysterium in Besetzungsfragen. Und so kam der langjährige Mitspieler der Theatergruppe Bundenbach und Fan der früheren Heimatstaffein zu seiner Rolle.

Den Beruf wechseln musste auch Reiner Bleisinger aus Hottenbach, der als Ingenieur in einer Szene einen Simon-Sohn bei der Wahl eines Produktionsgebäudes berät.

Anne Tatsch-Fink aus Hottenbach spielt eine Tochter von Hermann Simons älterem Bruder Anton.

Mit der dritten Staffel endet ein monumentales Fernsehwerk, das auch international große Beachtung fand. Und in der letzten Szene der letzten Folge, dem Schlusspunkt also, spielt ein Birkenfelder mit. Der elfjährige Maximilian Kreuz verkörpert den Enkel der Hauptfigur Hermann und spielt auf dem Klavier in der Silvesternacht ins neue Jahrtausend hinein.


Zur Weinkönigin machte Regisseur Edgar Reitz die 25-Jährige Sandra Jung aus Hottenbach. Auf einem Weinfest, das in Oberwesel gedreht wurde, muss sie hoheitliche Aufgaben wahrnehmen.


Gymnasiallehrer Armin Peter Faust spielt in Simmern den Realschullehrer, der auf dem Schulhof einen jungen Aussiedler gegen die Nachstellungen seiner Mitschüler verteidigt.


Anne Tatsch-Fink aus Hottenbach spielt eine Tochter von Hermann Simons älterem Bruder Anton.

Artikel in der Rheinzeitung vom 20.11.04
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