„Wahrnehmung ganz anders“

Für den Autor geht der Film im Hunsrück tiefer, näher zu den Menschen

SIMMERN. Im Hunsrück, dort wo Edgar Reitz das Licht der Welt erblickte, schließt sich ein Kreis für den Regisseur, der die vergangenen 25 Jahre damit verbracht hat, das Leben, sein Leben, filmisch zu erzählen.

Bei der Premierenfeier in Simmern hängen sie ihm an den Lippen: Film-Journalisten aus ganz Deutschland halten ihre Mikrofone, und Edgar Reitz philosophiert über den Begriff Heimat, über das Leben, über den Film, über Gott und die Welt, zwei Stunden lang. Fragen kommen nur sehr spärlich durch. Reitz ist ein guter Erzähler. Über die Wahrnehmung seines Films: „Die Frage ist: Gelingt es, die Zuschauer in den Sog zu ziehen? In Venedig, in München, überall auf der Welt?“

Später, als Edgar Reitz zwischen dem Signieren von Filmbüchern und einem Gläschen Wein mal Luft holt, lässt er auch eine Frage zur Wahrnehmung des Films zu: Wie unterscheiden sich die Premieren in Venedig und in München von der im Hunsrück? „Ganz gewaltig“, sprudelt es aus ihm heraus. „In Venedig beleuchtet man den Film von der professionellen Seite. Hier im Hunsrück spielt das keine Rolle. Hier geht es darum: Finden sich die Menschen, die hier leben, in dem Film wieder? Nicht die Komparsen, die sich im Film sehen, sind gemeint. Es geht vielmehr darum, ob sich die Menschen verstanden fühlen. Das ist es, was ich mir als Autor am allermeisten wünsche. Und das war auch die größte Herausforderung für mich. Hinzu kommt die Komponente der Hunsrücker Mundart. Hunsrücker Zuschauer lachen an Stellen des Films, an denen auf der ganzen Welt niemand lacht. Hier im Hunsrück geht die Wahrnehmung viel tiefer und weit über die so genannte professionelle Betrachtungsweise hinaus. Dazu kommt die eigene Wahrnehmung. Als wir mit ,Heimat 1′ anfingen, gab es noch die alte B 50. Vieles sah anders aus, vieles von dem, an das wir uns seinerzeit gewöhnt haben, ist nicht mehr da. Dem trauern die Hunsrücker und wir Filmleute nach, wenn wir den Film sehen. Dinge, um die nirgendwo auf der Welt getrauert wird, außer im Hunsrück. So ist die Wahrnehmung ganz anders, sie geht viel tiefer.“

Thomas Torkler

Heimat-Interview: Galina (Larissa Iwlewa)

Larissa Iwlewa über ihre ganz persönliche Heimat:

Larissa Iwlewa wohnt 7000 Kilometer vom Hunsrück entfernt in Kasachstan. In Heimat 3 spielt die 27-Jährige die junge Galina, die als Russland-Deutsche mit der ersten Aussiedlerwelle in den Hunsrück kommt. Wir fragten sie, wie sie ihre Rolle erlebt hat.

Wie sind Sie an die Rolle der Galina gekommen?

Ich habe in Kasachstan acht Jahre am Deutschen Theater Almati gespielt. Dadurch bin ich nach Stuttgart gekommen, wo ich zwei Stücke an der Akademie Schloss Solitude einstudiert habe. Mit einem hat mich Edgar Reitz in München gesehen und mich engagiert.

Was bedeutet es für Sie, bei Heimat 3 dabei zu sein?

Ich kann mich noch gar nicht richtig freuen. Es sind zu viele Eindrücke in meinem Kopf. Es war das erste Mal, dass ich in einem Kinofilm gespielt habe, das erste Mal in Europa. Es hat so viel Spaß gemacht. Es war eine große Erfahrung.

Hatten sie beim Dreh Kontakt zu Ihren „Landsleuten“?

Nein, aber ich habe sehr viele liebe Hunsrücker kennengelernt. Während des Drehs habe ich in Riesweiler, Gemünden und Rheinböllen gewohnt. Als ich jetzt zur Premiere die alten Bekannten getroffen habe, war das schön und sehr berührend. Das gibt mir ein Stück Heimat-Gefühl. Ich denke, dass nicht die Frage des Ortes entscheidend ist. Heimat kann überall sein. Dort, wo die Leute, die mir nah sind, um mich herum sind, dort ist für mich Heimat.

Thomas Torkler

Heimat-Leute

Darsteller der ersten Stunde

Eva-Maria Schneider aus Kirchberg und Reinhard Mosmann aus Dickenschied ließen sich die Heimat 3-Premiere im Pro-Winzkino nicht entgehen. Der Rolle der „Marie-Goot“ hat Eva-Maria Schneider in Heimat 1 ihren Stempel aufgedrückt. Mosmann war gar bei allen drei Heimat-Filmen als Darsteller dabei. In Heimat 3 spielt er einen Ziegenhirt, der zum Günderrodehaus kommt, um seinen Ziegenbock bei der Geiß von Hermann und Clarissa seine „Pflicht“ erledigen zu lassen. Dass die Natur nicht immer so mitspielt wie die Menschen das wollen, musste das Filmteam einsehen. Es dauerte jedenfalls zwei Stunden, bis Bock und Ziege ihre kurze Leidenschaft für die Kamera entfachten. Nachwuchs stellte sich nicht ein.

Artikel in der Rheinzeitung vom 28.09.04
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