Einmal Hunsrück und zurück

Mit dem dritten Teil der „Heimat“-Chronik von Edgar Reitz startet die Vermarktung der Drehorte – Kino-Premiere erfolgreich

Fiktiv und dennoch weltberühmt: „Wer in den Hunsrück reist, wird 300 Dörfer finden, und keines davon heißt Schabbach“, sagt „Heimat“-Regisseur Edgar Reitz. Damit die Fans nicht vergeblich suchen, werden die „Heimat“-Drehorte rechtzeitig zum Start des dritten Teils touristisch vermarktet. „Hello! Wir suchen Schabbak. Können Sie uns den Weg zum Simon-Haus erklären?“ Wie die Donoghues aus Pennsylvania kommen auch noch 20 Jahre nach dem ersten Teil der „Heimat“-Chronik Menschen aus der ganzen Welt in den Hunsrück.

HUNSRÜCK. Sie suchen Spuren der Familie Simon. Wo die alte Schmiede steht, in welcher Burgruine die Simons gepicknickt haben, wo „das Hermännche“ zum ersten Mal geküsst wurde – all das wollen sie wissen. Als der erste Teil von „Heimat“ 1984 Millionen Menschen stundenlang an die Bildschirme fesselte, war der Begriff „touristische Vermarktung“ noch ein Fremdwort. „Niemand hatte damals daran geglaubt, dass diese Familiengeschichte so ein Erfolg wird“, sagt Jörn Winkhaus, Geschäftsführer der Hunsrück-Touristik am Erbeskopf. „Mit diesem kulturellen Schatz ist ein wahnsinniges Geschäft möglich“, sagt der Tourismus-Experte.

Auf Spurensuche

Dennoch hat die Geschichte der Schabbacher Familie Simon eingeschlagen. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Egal ob aus Dallas, Duisburg oder Deuselbach – mit „Heimat“ können viele Menschen etwas anfangen. „Heimat“ steht für Herkunft, Aufbruch und Rückkehr. Leben, lieben und sterben im Hunsrück – die Spurensuche zieht auch zwei Jahrzehnte nach der ersten „Heimat“-Staffel tausende Menschen in die Region. Nachdem die „Zweite Heimat“ überwiegend in München spielte, kehrt Regisseur Edgar Reitz – selbst gebürtiger Hunsrücker aus Morbach – im dritten und letzten Teil der „Heimat“-Chronik wieder zu den Ursprüngen zurück. Die ARD zeigt die sechs Folgen, die Ende vergangenen Jahres abgedreht wurden, im Weihnachtsprogramm (siehe „Im Detail“).

Wieder in Schabbach

Einer der Hauptschauplätze ist ähnlich wie im ersten Teil der Hunsrück – und natürlich wieder Schabbach. Das lässt auf einen weiteren Ansturm auf das fiktive Dorf schließen. „Dieses Mal sind wir gewappnet und werden die Drehorte besser vermarkten“, sagt Winkhaus. Ähnlich wie der Schinderhannes inzwischen zum Leidwesen mancher Historiker als Robin Hood des Hunsrücks gezielt vermarktet wird, wird das auch mit „Heimat“ passieren. Touristen sollen nicht mehr planlos durch den Hunsrück irren und Schabbach suchen, sondern zwischen verschiedenen interessanten Angeboten rund um das Thema „Heimat“ wählen können. Egal ob sie allein, mit einer Busgruppe oder auf zwei Rädern durch den Hunsrück reisen wollen – für jeden soll es das richtige Angebot geben.

Um die „Heimat“-Drehorte touristisch zu vermarkten, haben sich mehrere Institutionen zusammengetan: das Pro- Winzkino und das Hunsrück- Museum in Simmern, die Touristik-Informationen Simmern und Kirchberg, Oberwesel und St. Goar sowie die Hunsrück-Touristik, Rheintouristik Tal der Loreley und der Rhein- Hunsrück-Kreis. Mit im Boot sind auch die Verbandsgemeinden Simmern, Kirchberg, St. Goar-Oberwesel, Rhaunen sowie die Einheitsgemeinde Morbach.

Zusammen haben sie vor einem dreiviertel Jahr einen Arbeitskreis gebildet und das Konzept „Touristische Nutzung und Vermarktung des Themas Heimat“ entworfen. Das rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerium und die ADD spendieren zur touristischen Vermarktung von „Heimat 3“ rund 100 000 Euro, zu 50 Prozent wird das Konzept aus dem Programm „Leader plus“ der EU und zu zehn Prozent aus Landesmitteln gefördert. Einen Teil müssen die Verbandsgemeinden übernehmen. Wer „Heimat“ hautnah erleben möchte, bekommt eine rund 20-seitige Broschüre an die Hand, die die wichtigsten Drehorte in der Region aus allen drei Filmen beschreibt, Bilder von Filmszenen zeigt, die der heutigen Situation gegenübergestellt und durch eine Kurzbeschreibung der Drehorte ergänzt werden. Um dem Gast vor Ort detaillierte Infos geben zu können, werden – vergleichbar mit dem Schinderhannes- Radweg – Schilder an ausgesuchten Orten aufgestellt. „Zu Heimat 1 bieten wir seit einiger Zeit bereits eine Pauschaltour an, die sehr gut ankommt“, sagt Winkhaus. Besonderes Bonbon: Eine Laiendarstellerin aus dem ersten Filmzyklus begleitet die Gruppe zu den Original-Drehorten und plaudert auch schon mal aus dem Nähkästchen. „Für unser neues Vermarktungskonzept begleiten ebenfalls Laiendarsteller aus dem dritten Teil die Besuchergruppen“, kündigt Winkhaus an.

Premiere ausverkauft

Neben dem touristischen soll auch der cineastische Aspekt nicht zu kurz kommen. So hat das Pro-Winzkino in Simmern eine Premierenfeier am 25. und 26. September organisiert, zu der auch „Heimat“-Regisseur Edgar Reitz bereits sein Kommen zugesagt hat. Die Welturaufführung von „Heimat 3“ fand bereits im Rahmenprogramm der 61. Biennale vom 1. bis 11. September in Venedig statt. Die Deutschland-Premiere war am 18. und 19. September in München. Die beiden Premierenvorführungen in Simmern waren schon früh ausverkauft. Tickets gibt es noch für die Vorstellungen vom 27. bis 29. September und vom 4. bis 6. Oktober im Pro-Winzkino. Nähere Informationen gibt es unter Telefon 06761/7748.

Ab Mitte September ist im Hunsrück-Museum in Simmern eine Sonderausstellung zu „Heimat 3“ zu sehen. Mehr Informationen gibt es im Internet unter www.hunsrueck-museum.de.

Hermännche trifft seine große Liebe

Die Geschichte endet in der Silvesternacht 2000

HUNSRÜCK. Den ersten Teil der Heimat-Trilogie, „Heimat – Eine deutsche Chronik“, beendet Regisseur Edgar Reitz 1984. In dem elfteiligen Film erzählt er die Geschichte des Dorfs Schabbach im Hunsrück und seiner Bewohner. Im Mittelpunkt steht die Familie Simon. Alles beginnt mit dem Ende des Ersten Weltkriegs. Nach der elften Folge dieser Chronik, inzwischen in den 80er-Jahren angekommen, sind die Zuschauer anhand des Lebens der Protagonisten Zeuge fast des gesamten 20. Jahrhunderts geworden.

„Die Zweite Heimat – Chronik einer Jugend“ verfolgt das Leben eines der Protagonisten aus „Heimat“, das Leben des Musik-Talents „Hermännche“. Als junger Musikstudent verlässt er Anfang der 60er- Jahre den Hunsrück Richtung München. Der 1992 gedrehte Film in zwölf Episoden fängt das Lebensgefühl der 60er- Jahre ein und erzählt vom Musik- und Filmemachen.

„Heimat 3 – Chronik einer Zeitenwende“ bildet den Abschluss der Trilogie von Edgar Reitz. Die Geschichte beginnt am 9. November 1989. Am Abend des Mauerfalls treffen sich zwei von Karrierestress und Heimatlosigkeit geplagte Musiker in einem Westberliner Hotel – „Hermännche“ und seine nie vergessene Liebe Clarissa. Angesteckt von der Aufbruch-Euphorie und ihrer persönlichen Wiedervereinigung machen sie sich auf den Weg in den Hunsrück. Die Trilogie endet in der Millenniums-Silvesternacht. Reitz arbeitete in „Heimat 3“ mit Figuren aus den beiden ersten Teilen, aber es wird auch neue Gesichter geben. Schauplätze der Handlung werden Berlin, Leipzig, Dresden, ein altes Haus nahe der Loreley am Rhein und – natürlich – wieder Schabbach sein.

Schabbach grüßt

„Heimat 3“ startet in Mainz und Simmern

MAINZ/SIMMERN. Er lief beim Filmfestival von Venedig als Event: „Heimat 3 – Chronik einer Zeitenwende“ ist der letzte Teil von Edgar Reitz‘ monumentaler Trilogie betitelt, der mit dem Mauerfall einsetzt und den die ARD im Dezember ausstrahlt. Von Ende September an zeigen aber einige Kinos schon „Heimat 3“. Am Wochenende ist in Mainz und Simmern Premiere.

Der „Heimat“-Zyklus, der ungefähr 24 Jahre Produktionsgeschichte auf dem Buckel hat und mehr als 70 Jahre Zeitgeschichte spiegelt, ist ein „Meilenstein der deutschen Fernsehgeschichte“, wie es immer wieder heißt. Aber künstlerisch betrachtet gehört er auch zur deutschen Filmgeschichte. „Fernweh“ hieß das erste Kapitel von Edgar Reitz‘ insgesamt 30 Serienfilmen, die nun als „Heimat“-Trilogie zu einer geschlossenen Form gefunden haben. Das „Fernweh“ der Weggeher forderte schon damals seinen Gegenpart heraus, ein Kapitel oder zumindest einen Gefühlszustand, der sich als „Heimweh“ interpretieren ließe.

So als würde ein lang gegebenes Versprechen endlich eingelöst, treffen sich die Sängerin Clarissa Lichtblau und der Dirigent Hermann Simon, der jüngste aus der Schabbach-Sippschaft, im ersten Kapitel von „Heimat 3“ am Abend des Mauerfalls zufällig in Berlin wieder. Die (Film-)Geschichte nimmt ihren Lauf. . .

Artikel in der Rheinzeitung vom 23.09.04
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