„Heimat“-Träume unterm Hammer

„Klappe 241 – die Letzte“: In Riesweiler wurde am Wochenende ein großer Teil des „Heimat 3“-Fundus verramscht
Eine überlebensgroße Lenin-Figur, die so gar nicht in das Bild eines Hunsrückdorfes passte, war der unübersehbare Blickfang für alle, die am Samstag zum „Heimat 3 Flohmarkt“ nach Riesweiler kamen. Ein großer Teil des Film-Fundus wurde feilgeboten – ein ungeheures Sammelsurium von Requisiten, Kostümen und Mobiliar.

RIESWEILER. Es wurde wirklich alles verhökert, was irgendwie und irgendwann an einem der 241 Drehtage zum sechsteiligen Filmepos „Heimat 3 – Chronik einer Zeitenwende“, benutzt wurde. Zwei Hallen, die während der Dreharbeiten als Produktionsbüro und Garderobe dienten, waren voll gestopft mit Untensilien. Die Auswahl war riesengroß: Über 3000 Kostüme und Kleidungsstücke hingen sortiert nach den Schauspielern, die sie trugen, in langen Reihen.
Vom Ballkleid der Clarisssa Lichtblau über den Armani-Smoking vom Dirigenten und Komponisten Hermann Simon bis hin zu einem ganz einfachen Pullover oder einem Wintersakko für einen namenlosen Komparsen – das Angebot war schier unerschöpflich. Sehr begehrt und schon kurz nach der Eröffnung vergriffen waren knallblaue Sporttrikots mit dem Aufdruck „FC-Schabbach“ oder „www. schabbach. de“ zum Preis von 18,50 Euro. Auf allgemeine Bewunderung stieß auch das Kleid einer Weinkönigin. Aus edler Seide maßgeschneidert war die himmelblaue Creation mit 250 Euro ausgezeichnet; aber sowohl der Preis als auch der individuelle Schnitt schreckte potentielle Käuferinnen.
Alle Textilien waren gereinigt und gebügelt. Der Schweiß der Schauspieler hing nicht mehr in den Klamotten, worauf Garderobiere Rosemarie Hettmann ausdrücklich hinwies. Teuerstes Stück war ein Wohnmobil für 32 000 Euro, spektakulärstes Teil ein 911 Porsche Targa, Baujahr 1992 für 21 500 Euro, „mit einem wahnsinnigen Sound“, von dem Produktions-Mitarbeiter Michael Keßler allen vorschwärmte.
Bei den Kostümen waren Fix-Preise angesagt, beim Mobiliar und den Kleinteilen konnte gehandelt werde. „Die Ikea-Regale habe ich gestern nagelneu fast zum gleichen Preis gesehen“, kritisierte eine junge Mutter, die auf Schnäppchenjagd mit der ganzen Familie anreiste. Sehr froh war eine Kaffee- und Teekannen-Sammlerin, die eine feine silberne Teekanne erstand. „Die ist von Edgar Reitz und passt gleichzeitig in meine Kollektion.“
Literaturliebhaber suchten nach bibliophilen Kostbarkeiten aus der Bibliothek der Filmfamilie Simon, die als Kulisse im Oberweseler Günderrrode-Haus stand, genauso wie eine lange Reihe klassischer Schallplatten. Von der Streichholzschachtel bis zum Samowar und der Jugendstillampe, der feilgebotene Hausrat ließ keine Wünsche offen. Die Käufer setzten sich aus einer recht unterschiedlichen Klientel zusammen. Ganz früh morgens waren die Reitz-Fans sowie ehemalige Komparsen angereist, die sich ein Erinnerungsstück für ihre persönliche Sammlung oder an die Dreharbeiten sichern wollten. Die Flohmarktgänger, die nur nach dem preisgünstigen und profanen Gebrauchsgegenstand suchten, kamen später.
Die riesige Lenin-Figur gehörte übrigens nicht zum Angebot. Sie wandert – wie so manch‘ besonderes Stück – ins geplante „Heimat-Museum“, das hoch über dem Rhein, im Günderrode-Haus, eingerichtet werden soll.
Werner Dupuis

Artikel in der Rheinzeitung vom 20.10.2003
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