Popcorn und eine Heimat im Turm

Edgar Reitz ist neuer Ehrenbürger der Stadt Simmern – Würdigung des Regisseurs, der den Hunsrück weltberühmt machte

„Ich habe jetzt eine andere Sicht auf das eigene Leben – der große Kreis vom Schuljungen bis zum Ehrenbürger hat sich geschlossen“, meinte der Heimat-Regisseur, der zum Ehrenbürger der Kreisstadt ernannt wurde.

SIMMERN.Es mag auf den ersten Blick etwas seltsam anmuten, dass die Stadt Simmern den Ehrenbürgertitel an einen Mann verleiht, der freimütig bekennt, dass er in seiner Jugend nur ein Ziel hatte – nämlich so weit weg vom Hunsrück zu kommen wie irgend möglich.
Und so war Edgar Reitz nach seiner Schulzeit am Herzog-Johann-Gymnasium auch nach München gegangen, um dort Theaterwissenschaften und Kunstgeschichte zu studieren. „Diese Distanz“, so der Regisseur in seiner Ansprache, „habe ich gebraucht, um eine andere Sicht auf meine Erinnerungen an den Hunsrück zu bekommen.“ Eben diese „andere Sicht“ war es letztlich, mit der er der Region später durch die Serie „Heimat“ zu Weltruhm verhalf.
Das würdigte auch Bürgermeister Manfred Faust, der in seiner Rede darauf hinwies, dass Reitz mit diesen epochalen Filmen den Menschen im Hunsrück zu einer neuen Identitätsfindung verholfen habe. „Edgar Reitz ist durch seinen Blick auf den Hunsrück als Kulturträger für unsere Stadt und die gesamte Region nicht mehr wegzudenken“, so Faust, der die Verleihung als eine der erfreulichsten Pflichten seines Amtes bezeichnete.
Unter dem Applaus der zahlreichen Gäste im Schloss, darunter auch Landrat Bertram Fleck, Regierungspräsident a.D. und Vorsitzender des Hunsrückvereins Gerd Danco und Mitglieder der Reitz Filmgesellschaft erhielt der Professor Edgar Reitz den Ehrenbürgerbrief. Zusammen mit Salome Kammer, einer Hauptdarstellerin von „Heimat 3“, schrieb sich Reitz in das Goldene Buch der Stadt ein.
Laut Gemeindeordnung sind mit dem Ehrenbürgerbrief zwar keine besonderen Rechte und Pflichten verbunden. Die Stadt Simmern stellte Reitz jedoch in Aussicht, dass ihm im Zuge der Neukonzeption des Schinderhannesturmes das ideelle Recht zugesprochen würde, dort in Form einer Ausstellung „Heimat“ zu beziehen. Auch das Team des Pro-Winzkinos ließ sich nicht lumpen und sagte ihrem Förderer freien Eintritt auf Lebenszeit zu – Popkorn inklusive. „Und ich dachte schon, ich bekomme einen Freifahrschein für die Simmerner U-Bahn“, meinte Reitz lachend.
Der Titel, so der Regisseur, der heute überwiegend in München lebt, gebe ihm eine neue Sicht auf sein Leben. „Es scheint, dass sich ein großer Kreis geschlossen hat.“
Wenn er jetzt durch Simmern ginge, könne er feststellen, dass der Hunsrück keine Provinz mehr sei. „Die Welt ist hier so wie überall, und in den Städten begegnet man oft einer viel tieferen Provinzialität“, resümierte der Ehrenbürger. „Der Hunsrück ist heute auch zu einer Heimat für diejenigen geworden, die weite Horizonte suchen.“
Sabine Cibura

Artikel in der Rheinzeitung vom 20.11.2002
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