Der Filmemacher feierte im Kino

Reitz und Ströher: Zwei Hunsrücker, die ihre Heimat verließen, um in der Fremde zu wahrer Größe in ihrer Kunst zu finden

Wenn jemand 70 Jahre alt wird, ist das meist Anlass für ein großes Fest. Es gibt viel zu organisieren. Wenn jemand auch noch prominent ist, erhöht sich der organisatorische Aufwand.

SIMMERN.Das Team des Simmerner Pro-Winzkinos hatte sich zum 70. Geburtstag von Edgar Reitz viel vorgenommen, aber das war man dem Regisseur, dem Hunsrücker Kino-Publikum und sich selbst schließlich schuldig.
Schwierig war es, herauszufinden, was dem Jubilar anlässlich seines Ehrentages vorschwebte, und was eher nicht. Bei Verwandten und Bekannten ist diese Frage meist schnell geklärt. Doch im Falle eines Edgar Reitz wollte man einerseits dem Anlass gerecht werden und selbstverständlich die Wünsche des Geburtstagskindes respektieren.
Doch mit der Hilfe von Robert Busch hatte man dieses Problem schnell geklärt. Der Mann an der Seite des Filmemachers half bei der Organisation des Festes, wie auch zahlreiche Mitarbeiter der Reitz-Filmgesellschaft.
Mit der großartigen Retrospektive hatte das Pro-Winzkino dem Regisseur mit seinem Programm die Reverenz erwiesen. Dies gelang auch mit dem „Tag im Leben des Edgar Reitz“. Unter diesen Titel hatten die Organisatoren die Geburtstagsfeier am vergangenen Freitag gestellt.
Es begann im Kino mit einem Sektempfang und der Gratulationscour für den Jubilar. Anschließend gab es kleine Kino-Häppchen. Die Pro-Winzler präsentierten ihre Umfrage, in denen sie „Gott und die Welt“ gefragt hatten, was ihnen zu Edgar Reitz einfällt. Kurioses, Lustiges, viel Lob und Ehr waren da zu hören. Tony Sulzbacher, Ex-Chef von Woppenroth, alias Schabbach, kam auch zu Wort und lobte „Heimat 1“. Mit der „Zweiten Heimat“ war er dann weniger zufrieden. Daraus machte er im Filminterview in seiner unnachahmlichen Art keinen Hehl.
Ebenfalls einen Film im Gepäck hatte Peter W. Jansen, Deutschlands führender Filmkritiker. Es war der Beitrag, den Jansen fürs Fernsehen anlässlich der Vorstellung des ersten Heimatwerkes produziert hatte. Groß war damals bereits die Anerkennung für das Werk. Noch deutlicher fiel Jansens Lob anlässlich des 70. Geburtstages von Edgar Reitz aus: „Ich bewundere Edgar Reitz und sein Werk und liebe seine Filme. Sie haben auf unspektakuläre Weise die Wahrheit über das Leben hervorgebracht“, sagte Jansen.
Worte, die der Jubilar sicher gern hörte, ebenso Bürgermeister Fausts Ankündigung, den Regisseur zum Ehrenbürger Simmerns ernennen zu wollen (wir berichteten).
Doch sichtlich ergriffen war der Filmemacher, als ihm sein Team das Geburtstagsgeschenk überreichte. Es war ein Original von Friedrich Karl Ströher. Die Bilder des Hunsrückmalers wurden bereits in der Mainzer Staatskanzlei ausgestellt, ebenso in Berlin. Als die Ausstellung in Mainz seinerzeit eröffnet worden war, hatte Edgar Reitz die Laudatio gehalten.
„Er hat den Blick auf die Heimat durch seine Abwesenheit gelernt“, zog Edgar Reitz die Parallele zwischen sich und Ströher. „Er ist damit gewissermaßen ein Vorbild für mich. Ich hätte die Heimat-Filme auch nie machen können, wenn ich damals nicht meine Heimat verlassen hätte“, sagte der Regisseur gerührt.
Der Rührung folgte prompt ausgelassene Fröhlichkeit. Der Musikverein Reckershausen/Heinzenbach marschierte ins Kino, spielte ein Ständchen fürs Geburtstagskind und geleitete anschließend den 140-köpfigen Festzug durch die Fußgängerzone zum Schloss, wo ein köstliches Buffet auf die Festgemeinde wartete.
Hier war neben Kulinarischem auch Kultur angesagt. Die beiden Hauptdarsteller von „Heimat 3“ zeigten dabei Kostproben ihres komödiantischen Talents. „Hermännche“ Henry Arnold trat als „Plattschwätzer“, Sänger und Pianist auf und Salome Kammer hatte ein ganz persönliches Geschenk für Edgar Reitz mitgebracht. Sie präsentierte ihr Kabarett-Programm, das einen Tag später in München bei der Lach- und Schießgesellschaft Premiere feierte.
Thomas Torkler

Artikel in der Rheinzeitung vom 05.11.2002
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