Edgar Reitz drehte Szenen für „Heimat 3“ in Riesweiler – RZ-Fotograf Herbert Piel spielt sich selbst – Tolle Menschenkette
Der olympische Gedanke gilt für die berühmten Spiele ebenso wie für den Film: Dabei sein ist alles. Mehr als 400 Komparsen hat Helma Hammen für den Drehtag mobilisiert. Und ihre Unsicherheit, ob auch wirklich alle kommen würden, erweist sich am Freitagabend als völlig unbegründet. Die Menschenkette formiert sich am Horizont des Drehortes in Riesweiler und hebt sich eindrucksvoll gegen das zauberhafte Licht der untergehenden Sonne ab.
RIESWEILER.“Herr, gib uns deinen Frieden…“ – kaum ein Besucher hat den Kanon beim Verlassen des Drehortes auf der Wiese in Riesweiler nicht im Kopf. Friedenspfarrer August Dahl hat seine „Schäfchen“ im Griff. Der Chor singt auf das Kommando „Bitte“, gegeben von Edgar Reitz. Der Regisseur hat den Friedensacker von Hasselbach und die Demos, die dort in den achtziger Jahren stattfanden, und die letztendlich mit dazu beigetragen haben, dass 1989 die Mauer fiel, in seine Geschichte von „Heimat 3“ eingebaut.
Im Film passieren Mauerfall und Friedensdemo zeitgleich: Hermännche kommt nach dem Mauerfall von Berlin in seine Hunsrücker Heimat und besucht den Friedensacker. Er läuft zwischen mahnenden Transparenten hindurch und wird freudig vom Friedenspfarrer begrüßt, der im Film nicht „Raketen-August“ sondern „Raketen-Otto“ heißt. Hermann trifft alte Bekannte und reiht sich ein in die Menschenkette, die sich gerade formiert. Dies ist der Inhalt, der am Freitag in zwei Filmszenen dargestellt wurde.
Zigmal singt August Dahl mit seinem Chor den Kanon, zigmal werden Positionen korrigiert, Kameraschwenks getestet und Einstellungen begutachtet, die Edgar Reitz an einem funkferngesteuerten Minimonitor, den er um den Hals trägt, kontrolliert. Hauptdarsteller Henry Arnold schreitet seinen Kurs durch die Demo-Transparente ab, schüttelt immer wieder die Hand von „Raketen-Otto“, der gebetsmühlenartig den Satz wiederholt: „Herzlich willkommen bei uns, das ist ein Akt der Heimatliebe, dass sie zu uns stoßen.“
Und mittendrin: „Herbertche“! Nein, nicht Hermännche. Herbert Piel, unser RHZ-Fotograf, spielt sich in den beiden Szenen selbst. Wie im richtigen Leben: Wenn sich eine Menschenkette formiert, die ganz Rheinland-Pfalz verbindet, ist das natürlich auch ein Pressetermin. Da dürfen Fotografen und Kamerateams auch im Film nicht fehlen.
Kurios dabei: Als das Filmteam zuvor in unserer Redaktion nachfragte, ob es denn bei uns einen Fotografen gäbe, der noch über eine Kameraausrüstung verfüge, die damals in den achtziger Jahren verwendet wurden, wollte es der Zufall, dass Herbert Piel gerade am Telefon war. Klar, dass er sofort zusagte, war er es doch, der mit seinen Kollegen 1986 für die Rhein-Zeitung von der großen Demo bei Hasselbach berichtet hatte. Und seine beiden Leicas, die damals im Einsatz waren, besitzt er natürlich heute noch. Sogar die Jacke, die er bei der Original-Demo anhatte, hing noch zuhause im Schrank.
Glücksfälle braucht man beim Film. Herbert Piel konnte nämlich noch seine Fotografien von der 86-er Demo dem Filmteam zur Verfügung stellen. So war es Edgar Reitz möglich, die Szenen so authentisch wie möglich zu konzipieren.
Zur Authentizität gehört auch ein Pullover, den ihm eine Ausstatterin reicht. Original 80-er Design. „Was, das Ding muss ich anziehen?“, protestiert Herbert Piel. Er muss. Am Set braucht unser Fotograf keine Anweisungen. Er muss nur wie ein Pressefotograf herumspringen und pausenlos die Auslöser seiner Kameras bedienen, ebenso das angeheuerte Fernsehteam vom SWR, dessen Kameramann sogar noch einen alten SWF-Aufkleber auf seinem Arbeitsgerät befestigt hat.
„Wir können“, gibt Kameramann Thomas Mauch das Signal. „Wir drehen“, kommt die Anweisung von Edgar Reitz und „Bitte!“. Gespräche verstummen. „177/2 die 5., Ton läuft“, ruft Tonmeister Gunnar Voigt. Klappe. Henry Arnold läuft los. Der Kanon ertönt. Raketen-Otto begrüßt Hermann. Dieser sagt Hallo zu Rudi und Marlene Scherer (gespielt von Berthold Korner aus Freiburg und Christel Schäfer aus Ellern). Die Menschenkette formiert sich. „Aus!“ Einige sind zu spät losgelaufen. Nochmal das Ganze. „Das war sehr schön“, befindet Kameramann Thomas Mauch. Er wechselt das Objektiv, macht eine Nahaufnahme von der Menschenkette am Horizont. Edgar Reitz zufrieden: „Das war’s“. Schlussklappe.
Thomas Torkler
Artikel in der Rheinzeitung vom 15.04.2002
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