Heimat-Gefühle im Kinopalast

Viele Gäste waren vom Hunsrück zur Verleihung des Staats-Kunstpreises an den Regisseur Edgar Reitz nach Mainz gereist

Wie ganz zufällig trafen sich im riesigen Foyer des Kinopalastes CineStar in Mainz am Dienstabend merkwürdig viele Hunsrücker. „Dau bist aach lo?“, war die vielgestellte Frage zur Begrüßung. Städtische Prominenz war ebenfalls zugegen, denn es galt, den Staatskunstpreis von Rheinland-Pfalz an den Hunsrücker Filmemacher Edgar Reitz zu verleihen.

Von Werner Dupuis

MAINZ. 400 Gäste hatten in den weichen Kinosesseln Platz genommen, als das Werk des in Morbach geborenen Regisseurs, der in Simmern das Gymnasium besuchte, gewürdigt wurde.
Die Frage „Warum erst jetzt?“ konnte Kultusministerin Rose Götte zu Beginn ihrer Laudatio nicht beantworten.
Überhäuft wurde Reitz mit internationalen Preisen und Ehrungen, aber auf die offizielle Anerkennung im eigenen Land musste er lange warten.
Als Mitglied der Reitz-Fan-Gemeinde outete sich die Ministerin. Sie habe sich über das eindeutige Votum der Fachjury sehr gefreut. „Was in der Literatur das Gedicht, das ist für mich im Kino ein Edgar-Reitz-Film“, bekannte sie.
Die „Heimat“, das Hauptwerk von Reitz, in deren erstem Teil dem Hunsrück ein unvergleichliches, cineastisches Denkmal gesetzt wurde, beschrieb Götte als „Epos von Fernweh, von der Flucht ins Unbekannte, ein Dokument über die unaufhaltsame Veränderung, ein zeitkritischer Film, der seine Kraft aus der Liebe des Autors und Regisseurs zu den Menschen schöpft“.
„Wann kommt die Dritte Heimat, der Film der vom Leben der Enkel im wiedervereinigten Deutschland berichtet?“, fragte die Ministerin. Das Land habe großes Interesse daran, dass dieser Film gedreht und gesendet wird.
Als „wunderbaren Erzähler“ beschrieb Professor Koebner, Leiter der Jury, den Preisträger. Mit der „Heimat“, habe er eine längst überfällige Diskussion um den Umgang und die Beschäftigung mit der unmittelbaren Vergangenheit angeregt, die dann weite Teile der Gesellschaft erfasste.
Energisch widersprach Edgar Reitz in seinen Dankesworten einer Formulierung bei der Würdigung seines Lebenswerkes. „Ich stehe gerade am Anfang meines Schaffens“, sagte er schmunzelnd ins Mikrofon und die Anwesenden hörten es mit Freude.
Mit „mein Freund Edgar“ begrüßte Arno Lang aus Rheinböllen Edgar Reitz während des Empfangs. Landrat, Verbands- und Ortsbürgermeister gratulierten artig. Die Leute vom ProWinz-Kino reisten mit überdimensionalen Plakaten an und präsentierten eine kleine Ausstellung. Wolfgang Stemann hatte extra aus Köln Willi Laschet, den noch letzten lebenden Kino-Plakatmaler geholt. In dem Gewirr der Gänge und Säle des Kino-Centers ging dieser Hunsrücker Beitrag allerdings unter.
Als die Ehrengäste zum Fest-Bankett schritten, flimmerte über die riesige Kinoleinwand die 1973 gedrehte „Reise nach Wien“.
Und mancher Zuschauer war erstaunt, was sich doch in dieser Zeit in Simmern alles verändert hat.

Artikel in der Rheinzeitung vom 17.11.2000
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